Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis 1997

 

Explosive Waffen

 

Auch wenn der Krieg geht, bleiben die Bomben 

Auch nach einem Angriff oder Konflikt verhindern explosive Kriegsreste eine sichere Rückkehr der Zivilbevölkerung, da Blindgänger noch jahrelang gefährlich sind. Der Einsatz von explosiven Waffen in bevölkerten Gebieten sorgt in aktuellen Konflikten wie in Syrien, Afghanistan, der Ukraine oder dem Jemen für großes Leid. Explosivwaffen fordern täglich neue Opfer und führen zu verheerender Zerstörung von ganzen Stadtvierteln. 

 
 
Zerbombte Häuser in der Altstadt von Mossul, Irak. Zerbombte Häuser in der Altstadt von Mossul, Irak. Zerbombte Häuser in der Altstadt von Mossul, Irak. Zerbombte Häuser in der Altstadt von Mossul, Irak.

© T. Nicholson / HI

 

Was sind Explosivwaffen?

Explosive Waffen bezeichnen verschiedene Munitionsarten wie Mörsergranaten, Raketen, Artilleriegranaten und unkonventionelle Sprengvorrichtungen (Sprengfallen). Auch Landminen, die durch den Vertrag von Ottawa seit 1999 verboten sind, sowie Streubomben, deren Einsatz durch die Oslo-Konvention von 2008 ebenfalls untersagt sind, gehören dazu. Explosive Waffen haben drei Hauptmerkmale, die das Leben der Zivilbevölkerung in Gefahr bringen:

  • Ein Wirkungsbereich, der von wenigen Metern bis hin zu mehreren hundert Metern um den Sprengpunkt herumreichen kann.
  • Ein Präzisionsgrad, der je nach Waffentyp variiert, da keine Waffe gänzlich zuverlässig ist. Fassbomben, die beispielsweise im syrischen Konflikt eingesetzt werden, treffen Ziele absolut unterschiedslos.
  • Der Einsatz von verschiedenen Waffentypen in einer Konfliktzone erhöht den Wirkungsbereich eines Angriffs.
  • Wenn zum Beispiel eine Konfliktpartei eine Rakete abfeuert, um feindliche Waffenlager, die sich nahe einer Wohngegend befinden, zu zerstören, kann diese Rakete leicht ihr Ziel verfehlen und ein wenige Meter entferntes Geschäft treffen. Die Explosion wäre ausreichend, um angrenzende Wohnhäuser zu zerstören und damit Mitglieder mehrerer Familien zu töten.
  • Diese Waffen werden deshalb auch als Explosivwaffen mit Flächenwirkung bezeichnet und verwandeln ganze Städte in Trümmerfelder.

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Die erschreckenden Folgen

Wenn Explosivwaffen in Wohngebieten eingesetzt werden, stammen 91% der Getöteten und Verletzten aus der Zivilbevölkerung. Dies ist das Ergebnis einer Studie über zehn Jahre (2011-2020), die die Organisation Action On Armed Violence (AOAV), eine Partner-Organisation von Handicap International (HI), veröffentlicht hat. Dies sind 238.892 Menschen. Insgesamt gab es in 123 Staaten und Gebieten Vorfälle mit Explosivwaffen. Die am schlimmsten betroffenen Länder sind Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan und Jemen.

Diese Waffen verursachen schreckliches Leid. Wenn sie nicht zum Tod führen, fügen sie ihren Opfern Verletzungen zu, die oft zu lebenslangen Behinderungen und schweren Traumata führen. Explosivwaffen zerstören Häuser, Schulen, Krankenhäuser – sodass Verletzte oft nicht einmal versorgt werden können. Nach einem Konflikt stellen Waffen, die beim Einschlag nicht explodiert sind, nicht nur eine Gefahr für die Bevölkerung dar, sondern auch ein Hindernis beim Wiederaufbau des Landes. Sie stürzen die Bevölkerung damit in große Armut.

Was sagt das humanitäre Völkerrecht?

Als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg wurde im Genfer Abkommen IV festgelegt, dass in Konflikten weder die Zivilbevölkerung noch zivile Gebäude angegriffen werden dürfen. Die Anzahl ziviler Todesopfer oder Verletzter sowie Beschädigungen von zivilen Gebäuden muss begrenzt werden, indem das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zwischen militärischem Ziel und potentieller Gefahr für die Zivilbevölkerung eingehalten wird und relevante Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, um das Ausmaß von Angriffen einzugrenzen. Obwohl die Zivilbevölkerung laut Völkerrecht also unter besonderen Schutz gestellt wird, verursacht der derzeitige Einsatz von explosiven Waffen in Konfliktsituationen sehr viele zivile Opfer.

Was tut HI?

Handicap International möchte den wichtigen Regelungen des Völkerrechts wieder mehr Gewicht verleihen und dafür sorgen, dass der Schutz der Zivilbevölkerung gestärkt wird. Deshalb fordern wir als Teil der Kampagne INEW (Internationales Netzwerk zu Explosivwaffen) Parlamentarier*innen europaweit dazu auf, eine internationale politische Erklärung zu bewirken, die solche Einsätze gezielt reglementiert und dadurch möglichst ganz verhindert.

Handicap International engagiert sich in Regionen, in denen die Bevölkerung von Explosivwaffen betroffen war oder noch immer ist, z.B. in Jemen und den Nachbarländern von Syrien, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Viele der dort versorgten Menschen sind Opfer von explosiven Waffen. Unsere Fachkräfte kümmern sich um Verwundete und andere Menschen mit Behinderung. Sie klären die Bevölkerung, vor allem Kinder, über Risiken auf, um Unfälle mit Blindgängern zu vermeiden. Mit betroffenen Gemeinschaften arbeiten wir zusammen, um gefährliche Gebiete zu erkennen, zu markieren und schließlich sicherstellen zu können, dass Minen und Blindgänger zerstört werden. Zudem sichern wir Waffen- und Munitionslager, die eine Explosionsgefahr darstellen.

Diplomatischer Prozess zur Verabschiedung einer politischen Erklärung

Seit der von der österreichischen Regierung ausgerichteten internationalen Konferenz „zum Schutz der Zivilbevölkerung in der städtischen Kriegsführung“ im Oktober 2019 wurde von über 100 Staaten über den Text einer politischen Erklärung zur Reglementierung des Einsatzes von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA) verhandelt.

Um Druck auf ihre Regierungen auszuüben, haben sich Abgeordnete aus verschiedenen europäischen Ländern am Donnerstag, 27. Mai 2021 online getroffen. Über 170 Abgeordnete unterschrieben ein gemeinsames Statement, dass der Schutz der Zivilbevölkerung umgehend vorangetrieben werden muss. Zur Konferenz hatten deutsche und französische Abgeordnete gemeinsam mit Handicap International eingeladen.

Unter der Führung der Regierung Irlands fanden mehrere Verhandlungsrunden bei den Vereinten Nationen in Genf statt, unter anderem vom 6. bis 8. April 2022. Beim Treffen am 17. Juni 2022 einigten sich schließlich zahlreiche Staaten und internationale Organisationen auf einen finalen Text des internationalen Übereinkommens und beendeten damit den fast drei Jahre lang andauernden politischen Prozess. 

Am 18. November 2022  haben Dutzende Staaten das Übereinkommen in der irischen Hauptstadt Dublin verabschiedet, darunter Deutschland, die USA, Frankreich und andere führende NATO-Staaten. Handicap International (HI) und die anderen Organisationen der Kampagne INEW haben den Prozess hin zu einer politischen Erklärung von Beginn an aktiv begleitet und waren an allen bisherigen Verhandlungsrunden mit offiziellen Präsentationen und Wortmeldungen aktiv beteiligt. Erfreulicherweise wurden einige der Forderungen in den finalen Text des Abkommens aufgenommen. Auch in der aktuellen Implementierungsphase geht das Engagement weiter:

Implementierung der politischen Erklärung

Nun steht die Implementierungsphase an, in der die Unterzeichnerstaaten ihre militärischen Politiken und Praktiken zur Vermeidung ziviler Oper anpassen sollen. Außerdem müssen sie die Umsetzung der humanitären Verpflichtungen der politischen Erklärung konkretisieren: Dabei geht es etwa um die Beseitigung explosiver Kriegsreste, die Unterstützung der betroffenen Menschen und den ungehinderten humanitären Zugang. Zusammen mit anderen Mitgliedern der INEW-Kampagne überwachen wir die Implementierung des Abkommens mit dem Explosivwaffen-Monitor . Zudem möchten wir erwirken, dass viele weitere Staaten das Abkommen unterzeichnen.

Der kleine Sanaullah aus Afghanistan bekommt in einem Reha-Zentrum Therapie. Der kleine Sanaullah aus Afghanistan bekommt in einem Reha-Zentrum Therapie. Der kleine Sanaullah aus Afghanistan bekommt in einem Reha-Zentrum Therapie. Der kleine Sanaullah aus Afghanistan bekommt in einem Reha-Zentrum Therapie.

© Jaweed Tanveer / HI

Der kleine Sanaullah wurde von einer Mörsergranate getroffen und verlor sein Bein. Er erhält Unterstützung von HI.